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Der Spitzwegerich und seine Brüder

  • susiforster
  • 15. Juli
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 16. Juli

Heilkraut mit Pilzaroma



Der Spitzwegerich ist ein typisches „Einsteigerkraut“ unter den heimischen Wildkräutern. Weit verbreitet und recht gut erkennbar, nutzen selbst Wildkräuterneulinge die Heilkräfte der lanzettlichen Blätter mit der auffallenden Nervatur. Sanft und ebenso effektiv stillt der Spitzwegerich Husten und besänftigt juckende Mückenstiche.


Aber kennst Du auch seine kulinarischen Vorzüge? Da halten die Wegeriche eine leckere Überraschung parat: sie haben Pilzaroma. Ja, die Wegeriche - Mehrzahl…fast 200 Arten gibt es. Der wohl bekannteste ist der Spitzwegerich. Er hat noch 2 Brüder, die ebenso gut schmecken, über Heilkräfte verfügen und bei uns gar nicht selten sind. Also Augen auf und entdecken!


Der "Heiler" Spitzwegerich (Plantago lanceolata) ist einer der bekanntesten Vertreter der fast 200 Wegericharten. Er kommt häufig in Gesellschaft seiner beiden „Brüder“ dem Breitwegerich "für´s Grobe" (Plantago major) und dem "Schönling" unter den Dreien, dem Mittleren Wegerich (Plantago media) vor.


Der Breitwegerich trägt von allen Wegericharten die breitesten Blätter. Sie fühlen sich ledrig an und tragen einen deutlichen Blattstiel, der fast so lang wie die Blattbreite werden kann. Reißt man die Blätter auseinander, ragen die Gefäßbündel wie zähe Fäden aus dem Blatt heraus. Seine walzenartigen Blütenähren erinnern an kleine Maiskolben und bringen nur unscheinbare grünliche Blüten hervor. Der Breitwegerich ist ein typischer Vertreter der Trittpflanzengesellschaften.


Der Mittlere Wegerich ist optisch wirklich ein Mittelding zwischen den Merkmalen seiner beiden Brüder. Die löffelförmigen Blätter seines großen Bruders, dem Breitwegerich, der lange dünne Blütenstiel des Spitzwegerichs. Die walzenartige Blüte wie der Breitwegerich, nur etwas kürzer, aber mit zartesten weißen bis violetten Staubblättern, noch filigraner als beim Spitzwegerich.

Die breiten, fein weißlich behaarten Blätter zeigen einen nur sehr kurzen oder fehlenden Stiel. Mehr noch als der Breitwegerich drückt er seine Blattrosette meist dicht an den Boden. Im Gegensatz zum Spitzwegerich bevorzugt er trockene, magere, ungedüngte Böden. Und anders als der Breitwegerich kommt er nie auf Wegen vor.

blühendes Ehrenpreisfeld
Ehrenpreis - Mitglied der Wegerichfamilie

Da alle Wegericharten wirksam und ungiftig sind, ist eine Verwechslung allerdings nicht wirklich bedeutend.


Fun Fact

Wer hätte das gedacht? Die elfenzarten Ehrenpreise gehören ebenfalls zur Familie der Wegericharten. Eine Pflanzenfamilie mit extremen Unterschieden.


Wegerich-Mythen

Seit Alters her kannten und schätzten die Menschen diese Heilpflanze am Wegesrand – schon in der Steinzeit fand er Verwendung. Der Wegerich ist auch als „Herrscher des Weges“ bekannt – ein König. Über unterschiedlichste Kulturkreise hinweg lässt sich die Verbindung zum heutigen Namen herstellen: das indogermanische „-rich“, das keltische „rig“ als auch das lateinische „rex“.


Der botanische Name Plantago leitet sich vom lateinischen „planta“=Fußsohle ab, weil die Samen der Wegeriche oft an den Schuhsohlen haften bleiben und sich so verbreiten. Die Indianer Nordamerikas prägten den Ausdruck „Die Fußstapfen des weißen Mannes“. Denn mit den Pferden und Wagen der europäischen Auswanderer verbreitete sich auch der Wegerich in den Lebensräumen der Indianer. Ein Neophyt auf umgekehrten Weg – von Europa in die neue Welt.

Dass die sogenannte Bedrohung durch invasorische Pflanzen unnötig dämonisiert wird, erfährst Du im Blogbeitrag "Keine Angst vor Invasoren".


Zerrissenes Breitwegerichblatt mit Leitbündeln
Leitbündel des Breitwegerich - Orakelpflanze

Der Wegerich war nicht nur Führer am Weg durchs Leben, sondern hatte durchaus auch düstere Verbindungen. So galt er nach germanischem Glauben auch als Herrscher des Weges ins Totenreich. Und noch im Mittelalter wurde er Proserpina, der römischen Göttin der Unterwelt zugeordnet. Zahllose Mythen ranken sich um blutstillende und wundheilende Kräfte des Wegerichs. Und auch die hoch wirksamen Kräfte bei Insekten- oder auch Spinnenbissen werden in verschiedensten Geschichten überliefert. Nicht zuletzt wird er mit allerlei Liebes- und Anti-Liebeszauber verbunden. Der Wegerich ist auch Orakelpflanze: So soll sich aus der Zahl der Gefäßbündel aus dem zerrissenen Blatt die Zahl der zu erwartenden Kinder oder die der Nebenbuhler oder das zu erwartende Glück ablesen lassen.




Wirkung und Verwendung

Kulinarisch

Man findet durchaus Rezepte und Anwendungsbeispiele mit Breitwegerich. Ich persönlich bevorzuge in der Küche den Spitzwegerich. Die Blätter des Breitwegerichs und mittleren Wegerichs sind mir einfach zu derb. Sie haben andere Einsatzbereiche, die für mich mehr Sinn machen. Ausnahme: die Fruchtstände der drei Arten sind gleichermaßen lecker und verwendbar wie nachfolgend dargestellt. Nachteil Breitwegerich: als Vertreter der Trittgesellschaft wächst er nur auf viel begangenen Wegen. Hier muss jeder selbst entscheiden, ob und wieviel er von diesen Standorten ernten will.


Die kulinarische Verwendung der Wegeriche, insbesondere des Spitzwegerichs ist äußerst vielseitig: Es sind nahezu alle Pflanzenbestandteile ess- und verwertbar. Die Blätter sind sowohl roh als auch gekocht verwendbar und eignen sich herrlich als Beigabe zu Salaten und grünen Suppen (z.B. Grüne Neune). Die Blätter sollten quer zur starken Längsfaser gehackt werden, bevor sie weiter verarbeitet werden. Denn die zähen Blattnerven stören nicht nur beim Essen, sondern können durchaus auch den Smoothiemixer lahm legen. Die Knospen schmecken sowohl als rohe Knabberei oder ergeben in Butter oder Öl gebraten eine universell einsetzbare, nach Pilzen schmeckende Würze zu Salaten, Suppen, Eierspeisen, Gemüse-, aber auch Fleischgerichten. Süß-sauer eingelegt kann man sie als tolle Alternative zu Mixed Pickles servieren. Die kugeligen Früchtchen mit ihrem nussigen Aroma sind ein Leckerbissen - auf Müsli, in Salaten oder einfach mal solo für sich. Die schmackhafte Wurzel wird von Oktober bis April geerntet und mit anderem Wurzelgemüse gekocht. Sie ist fein verästelt und sollte daher sorgfältig gewaschen werden.


Heilkundlich

Die reizlindernden Schleim- sowie die tonisierenden Bitterstoffe in Verbindung mit Kieselsäure und dem antibiotisch wirkenden Aucubin verleihen dem Spitzwegerich ausgezeichnete Heilkräfte, die auch wissenschaftlich belegt sind. Wichtiges Einsatzgebiet sind Husten- und Bronchialerkrankungen. Sogar die Symptome des Keuchhustens sollen sich mit Spitzwegerich lindern lassen. Hier kommen vor allem Tees aus frischem oder auch getrockneten Blättern oder Sirup aus frischen Blättern zum Einsatz. Die frischen Blätter sind zu bevorzugen, weil diese viel vom hitzeempfindlichen Aucubin enthalten.

Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Wundversorgung. Nicht nur zu Hause, auch unterwegs kann der Spitzwegerich als Erste-Hilfe-Mittel gute Dienste leisten. Zwar ist häufig zu lesen, zerriebene Blätter auf Verletzungen zu legen, doch ist nach heutigem Erkenntnisstand mit Blick auf das potenzielle Eindringen von Erregern oder Verunreinigungen in die offene Wunde Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Geht es um Insektenstiche oder auch Brennesselquaddeln, so kann der Spitzwegerich beste Dienste leisten: Entweder die frischen Blätter auflegen oder als Erste-Hilfe-Spray für unterwegs verarbeitet.


Grundsätzlich gelten alle drei Wegericharten als heilkräftig mit identischen Einsatzgebieten. Eine etwas höhere Konzentration an heilwirksamen Stoffen wird dem Spitzwegerich zugeschrieben.


Du willst das ausprobieren? Eine Auswahl an Ideen für Küche und Hausapotheke findest Du im Spezial-Blogbeitrag Wegerichrezepte.



Steckbrief Spitzwegerich

Familie: Wegerichgewächse (Plantaginaceae)

Pflanzenname: Spitzwegerich (Plantago lanceolata)

Volksnamen: Aderblatt, Heilwegerich, Heufressa, Lungenblatt, Ripplichrut, Roßrippe, Schafzunge, Schlangenzunge, Spitzfederich, Spießkraut, Straßenbraut, Wegetritt, Wundwegerich


Merkmale: Im Frühjahr treibt die Pflanze in einer grundständigen Rosette die namensgebenden lanzettlichen, auffallend parallelnervigen Blätter aus. In der Regel sind es 7 Blattadern. Im späten Frühjahr schieben sich aus den Blattbüscheln 10-40 cm lange blattlose, kantige Stängel. An deren Ende bildet sich eine walzliche bis kugelige Ähre mit unscheinbaren Blüten, aus denen von Mai bis September filigrane weiße Staubgefäße heraushängen.


Vorkommen: Fettwiesen, Weiden, Parkrasen, Ödflächen, Wege, Äcker

Inhaltsstoffe: Schleimstoffe, Bitterstoffe, Flavonoide, Kieselsäure, Aucubin

Verwertbarkeit: Blätter, Knospen, Wurzel


FAQ


  1. Sind Wegeriche essbar? Ja, Spitzwegerich, Breitwegerich und auch Mittlerer Wegerich sind essbare Wildpflanzen. Zur kulinarischen Verwendung eignen sich vor allem die Blätter des Spitzwegerichs, weil sie weniger derb und zäh sind als die Blätter von Breitwegerich und Mittlerem Wegerich. Die Knospen der drei Arten sind gleichermaßen verwendbar und schmecken nach frischen Champignons

  2. Wirken alle Wegericharten gleich? Spitz-, Breit- und Mittlerer Wegerich wird ähnliche Heilwirkung zugeschrieben, wobei die des Spitwegerichs als etwas höher eingestuft wird. Haupteinsatzgebiete sind die lindernde Wirkung bei Husten und Bronchialerkrankungen sowie gegen juckende Mückenstiche.

  3. Wie viele Wegericharten gibt es? Es gibt etwa 200 Wegericharten. Der wohl bekannteste ist der Spitzwegerich, aber auch Breitwegerich und Mittlerer Wegerich sind sehr verbreitet. Aber auch völlig anders geartete Wildpflanzen wie die zarten Ehrenpreise gehören zu den Wegericharten.


Die Beschreibungen ersetzen keine medizinische Beratung. Alle Darstellungen wurden nach bestem Wissen und Gewissen und mit größter Sorgfalt recherchiert und/oder beruhen auf tradierten Überlieferungen und volksheilkundlichen Erfahrungen. Bei Beschwerden und Krankheitszeichen ggf. den Arzt des Vertrauens konsultieren.


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