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Keine Angst vor Invasoren

Neophytenhype? Harmonie statt Hysterie.



Immer wieder hört und liest man alarmierende Berichte über die Invasion der Neophyten. Invasorische Pflanzen aus aller Herren Länder würden unsere heimische Flora bedrohen und gar auf Nimmerwiedersehen verdrängen. Vehemente Schutzmaßnahmen und die konsequente Ausrottung der fremden Pflanzenwesen wird gefordert im Zeichen des Natur- und Artenschutzes. Ist das die ganze Wahrheit?


Die Geister, die wir riefen

Tatsächlich sind es in aller Regel die Geister, die wir selbst riefen. Viele der pflanzlichen Immigranten leben bereits seit dem 17. und 18. Jahrhundert bei uns. Wir selbst haben Sie aus fremden Ländern zu uns geholt durch berühmte Forschungsreisende wie James Cook, Charles Darwin oder Alexander von Humboldt. Voll Stolz wurden sie der staunenden Bevölkerung zu Hause präsentiert. Als Insignien des imperialen Kolonialismus in royalen botanischen Gärten zur Schau gestellt und kultiviert. Erst später fanden sie den Weg in die bäuerlichen und städtischen Gärten und schließlich schafften es die ersten „Flüchtlinge“ in die Wildnis.

Der Mensch selbst ebnete den Siegeszug der Neophyten durch massive Bodenverdichtungen und überbordenden Einsatz von Agrarchemikalien. Während unsere heimischen Gewächse immer weniger mit den veränderten Umweltgegebenheiten und zunehmender Verstädterung mit all ihren negativen Begleiterscheinungen umgehen konnten und können, sind durch Menschenhand geschädigte und zerstörte Flächen die perfekte Nische für die Invasoren. Sie sind Überlebenskünstler: Pionierpflanzen, die gut mit Brachflächen und/oder überdüngten nährstoffreichen Böden umgehen können. Wo unsere Pflanzen längst aufgegeben haben, springen die „Neuen“ in die Bresche und versorgen Käfer, Bienen, Hummeln, Falter und Schmetterlinge bis in den späten Herbst mit lebenswichtiger Nahrung.


Wissen statt Vorurteile

In der Regel ringen heimische bedrohte Arten und typische Invasoren, wie Springkraut oder kanadische Goldrute nicht um dasselbe Habitat. In aller Regel benötigen solche gefährdeten Heimatkräuter magere, nährstoffarme Böden, während sich Neophyten in stickstoffschwangeren Verhältnissen richtig wohl fühlen.


Zweifelsohne bedürfen sensible Biotope wie Niedermoore und Auenlandschaften besonderen Schutzes. Hier müssen und sollen stark konkurrenzfähige Fremdarten im Zaum gehalten werden, um das ohnehin schon geschwächte Gefüge der typischen Flora und Fauna zu stützen. Auch bei der Bekämpfung ist fundiertes Wissen über die invasorischen Pflanzen und ihre Verbreitung essenziell. Gerade beim Springkraut kann man allzuoft unzureichendes Vorgehen beobachten. Frühes Eingreifen weit vor der Fruchtentwicklung ist ebenso erfolgskritisch wie eine Entsorgung in Hausmüll statt Kompost. Die von vermeintlichen Naturschützern ausgerissenen Stängel werden oft einfach auf Wald- und Spazierwegen achtlos (oder demonstrativ?) liegengelassen. Das überlebensstarke Springkraut wurzelt aber gerne auch einfach an der Stelle weiter, wo es entsorgt wurde und weiter geht´s. Wenn schon Artenschutz, dann bitte mit ausreichender Kenntnis. Letztendlich ist es wieder der Mensch, der durch massive Eingriffe in natürliche Landschaftsstrukturen wie Flußbegradigungen und Staustufen die Grundlage für die Gefährdung und das kontinuierliche Verschwinden dieser wertvollen Lebensräume gelegt hat.


Harmonie statt Hysterie

Alles in allem gibt es bei genauer Betrachtung und hinreichender Information keinen Grund zur Hysterie oder Panik bezüglich einer vermeintlichen Invasion durch Neophyten. Sie sind da und werden bleiben. Natur hat einen natürlichen Drang hin zur Homöostase. Es wird langfristig immer ein Gleichgewicht angestrebt. Nach einem exponentiellen Wachstum in den Anfangsphasen der Ausbreitung stößt es auf lange Sicht an natürliche Grenzen. Auch Neophyten finden nach einer gewissen Zeit Gegenspieler in Form von Insekten und Schädlingen. Und nicht zuletzt hat auch die heimische Flora durchaus starke Standortverteidiger wie beispielsweise Brennnesseln und Giersch, die sich nicht so mir nichts Dir nichts vertreiben lassen. Der Botaniker Wolfgang Kunik relativiert die von pflanzlichen Invasoren ausgehende Gefahr durch seine Zehner-Faustregel: Von allen - bewusst oder unabsichtlich - eingeführten Fremdpflanzen, findet nur ein Zehntel einen klimatischen und strukturell geeigneten Platz. Der Rest verschwindet. Von diesen 10% kann sich wiederum nur ein Zehntel dauerhaft bei uns halten. Und von diesen 10% wird wiederum nur ein Zehntel irgendwann zu einem Problemfall, also eine einzige von Tausend.


Was nicht zu ändern ist, sollten wir positiv einstufen. Dazu muss man sich auf das Neue einlassen und es kennenlernen. Die gefürchteten Einwanderer sind in Ihrer Heimat meist seit Jahrhunderten geschätzte wichtige Heilkräuter und Teil einer nachhaltigen und gesunden Ernährung. Diesen Schatz sollten wir nicht brach liegen lassen, sondern vielmehr nutzen. Neugierig geworden? Dann schau Dir diese drei Kurzporträts typischer Neophyten mit schlechtem Ruf, aber viel gutem Potenzial an.


Wer weiß, welche Zukunft uns und unseren neuen Pflanzenbegleitern bevorsteht. Auch Kartoffel, Mais und Tomate waren einst Einwanderer….


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FAQ:

  1. Was sind Neophten? Als Neophyten werden Gewächse betrachtet, die nach dem Jahr 1492, also nach Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus, gezielt als Zier- oder Nutzpflanze oder ungewollt in Gebiete eingeführt wurden, in denen sie natürlicherweise nicht vorkommen.

  2. Welche Neophyten findet man in Deutschland? Die Liste der Neophyten ist endlos lang. Sie reicht von harmlosen und unscheinbaren Pflänzchen wie der strahlenlosen Kamille bis hin zu kolossalen und durchaus bedenklichen Gewächsen wie der Herkulesstaude. Dazwischen gibt es eine schier unglaubliche Vielfalt von Wasserpflanzen wie die Wasserlinse bis salzverträglichen Dünenbewohnern wie die Kartoffelrose. Weitere Beispiele sind Nachtkerze, Schmetterlingsflieder, Springkraut, Kanadische Goldrute, einjähriges Berufkraut, Ambrosie, aber auch Baumarten wie Douglasie und Robinie.

  3. Sind Neophyten eine Bedrohung für heimische Pflanzen? Das muss man sehr differenziert betrachten. Das größte Problem für die heimische Flora sind in erster Linie die veränderten Umweltbedingungen und dabei ist der Klimawandel nicht das vorrangigste Problem. Zunehmende Verstädterung, Bodenverdichtung und -versiegelung, massiver Einsatz von Herbiziden und Düngemitteln machen es der heimischen Flora schwer. Neophyten sind bestens ausgerüstet, um in die Nische der industriellen Brachflächen und überdüngten Böden zu springen. Die pflanzlichen Zuwanderer bevorzugen in weiten Teilen völlig andere Habitate als viele der bedrohten heimischen Pflanzen.


Quellen:


Wolf-Dieter Storl: Wesen und Geheimnisse der Neophyten, at Verlag

Jürgen Eder: Der Segen der Einwanderer, Gräfe und Unzer



Die Beschreibungen sind nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert. Die heilkundlichen Erläuterungen ersetzen keine medizinische Beratung. Alle Darstellungen beruhen auf tradierten Überlieferungen und volksheilkundlichen Erfahrungen. Bei Beschwerden und Krankheitszeichen ggf. den Arzt des Vertrauens konsultieren.

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