Der Baum mit eingebauter Feuerwehr
Mehr als jede andere Pflanze symbolisiert die Kanarische Kiefer den Charakter ihrer endemischen Heimat - zumindest aus meiner Sicht als Natur- und Wildpflanzenführerin. Aus Feuer geboren sind die Inseln des kanarischen Archipels. Und auch die Kanarische Kiefer erhebt sich scheinbar unbeeindruckt immer und immer wieder aus den nicht seltenen Feuersbrünsten, die die niederschlagsarmen und sonnenverwöhnten Eilande heimsuchen. Wie durch ein Wunder strecken sie aus den rußgeschwärzten Stämmen erneut ihre langen sattgrünen Nadelpuschel in den blitzblauen Himmel und formen eine bizarrschöne Landschaft auf schwarzen Lawafeldern.
Bei meinen Aufenthalten auf La Palma, Teneriffa & Co. bin ich jedes Mal erneut fasziniert von dieser Baumart. Sie ist typisch für die kanarischen Waldregionen und kommt auf jeder der Inseln endemisch vor, außer auf den nahezu baumlosen Inseln Fuerteventura und Lanzarote. Die Kanarische Kiefer hat sich in beispielloser Art an die Gegebenheiten der vulkanischen Inselwelt vor der nordafrikanischen Küste angepasst. Sie sind quasi ihre eigene Feuerwehr.
Überlebenskünstler zwischen Feuersbrunst und Vulkanausbrüchen
Auch wenn gerne der ewige kanarische Frühling gepriesen wird, so gibt es doch auch auf den Inseln gewisse jahreszeitliche Schwankungen. Gerade in den Sommermonaten kommt es häufig zu erheblicher Trockenheit. Es herrscht dann enorme Waldbrandgefahr. Ein minimaler Funke reicht, um für maximale Vernichtung zu sorgen. Wie ein Brandbeschleuniger wirkt dazu noch das ätherische Öl, das in den Nadeln der Kiefern steckt. Doch die Kanarische Kiefer hat im Laufe der Jahrhunderte gelernt, mit dieser Bedrohung umzugehen. Die Borke der erwachsenen Bäume ist tatsächlich brandresistent. Sie ist extrem grob und besteht aus bis zu 50 Schichten. Im Falle eines Feuers verbrennen nur die äußern Teile. Dabei verkohlt die Borke nicht, es bildet sich vielmehr eine Art Kruste. Der innere Wachstumsbereich bleibt intakt. Außen sichtbar bleiben schwarz verbrannte, grob aufgesprungene Platten, die im Laufe der Erosion abgeschilfert werden. Seine Knospen versteckt der Baum sicher unter der dicken Borke. Er erneuert sich von innen heraus und treibt frisch aus als wäre nichts gewesen. Während alles herum, vor allem der gesamte Unterbewuchs, dauerhaft oder mindestens für sehr lange Zeit vernichtet ist, leben die Kieferbestände weiter. So entwickeln sich in manchen Zonen der Inseln seltene natürliche Monokulturen.
Wolken kämmen
Und auch in Sachen Wasserversorgung hat sich die Kanarische Kiefer optimal an die Bedingungen angepasst. An den Nordseiten der Hänge und Berge stauen sich die typischen Passatwolken, die man auf den Kanaren beobachten kann. Wie überdimensionale Wasserfälle aus Wolken „fließen“ sie über die Bergkämme. Dabei durchstreifen sie die Wälder. Die Pflanzen haben gelernt, das wenige Nass aufzusaugen. Die Kanarische Kiefer hat dafür besonders lange Nadeln entwickelt, die die Feuchtigkeit der durchziehenden Nebelschwaden auffangen. Gleichzeitig sorgen die Bäume so dafür, dass die Wolken „hängenbleiben“ und mit der kondensierenden Feuchtigkeit die Umgebung speisen. Bildlich gesprochen „durchkämmen“ Kiefernnadeln die Wolken. Sie sind 20 bis zu 30 cm lang und treiben in der Regel als Drillingsnadel aus einem Schaft. Die Nadelpuschel erinnern fast ein wenig an die Pompons von Cheerleadern.
Fette Riesen und geschützte Jungfrauen
Während die durchschnittliche Kanarische Kiefer eine Größe von etwa 15-30 m erreicht, gibt es einige wahre Riesen unter ihnen. Eine der mächtigsten Kiefern findet man auf der Insel Teneriffa nahe der Ortschaft Vilaflor auf dem Weg zum Teide Nationalpark: den mehr als 45 Meter hohen und mindestens 700 Jahre alten Pino Gordo („Die fette Pinie“). Während um den größten Drachenbaum in Icon de los Vinos ein gigantischer Touristenrummel betrieben wird, findet man das Unikum von Kanarischer Kiefer über ein paar Stufen hinunter von einer kleinen Parkbucht und darf sie nicht selten ganz für sich allein bewundern. Es braucht mindestens fünf erwachsene Menschen, um ihren gewaltigen Stamm mit einem Umfang von 9,36 Metern zu umfassen.
Eine weitere Ikone unter den Kanarischen Kiefern ist die Pino de la Virgen im Osten der Insel La Palma. Nahe El Paso auf dem Weg zum Parque National de la Caldera de Taburiente wächst dieser Kiefer-Methusalem mit einem geschätzten Alter von ebenfalls kolossalen 800 Jahren. Anfang der 2000er Jahre beobachtete man, dass der mächtige Pino de la Virgen (=Jungfrau, an der gleichnamigen Kirche), der 2014 zum geschützten Kulturgut erklärt wurde, aufgrund von schädlichen Umwelteinflüssen kränkelte. Sogar Käfer- und Pilzbefall konnte bereits festgestellt werden. Schließlich erhielt das kanarische Kulturgut behördliche Unterstützung. Die Hüter der endemischen kanarischen Flora starteten eine beispiellose Rettungsaktion. Kranke Äste wurden entfernt, um weiteren Befall einzudämmen. Ein Parkplatz musste weichen und stattdessen wurde systematisch das ursprüngliche Habitat wieder aufgebaut. Hierfür wurde typisches Erdreich eingebracht inklusive nützlicher Kleintiere und Pflanzen für natürlichen Unterbewuchs. Die Maßnahmen zeigen erste Wirkung…gute Besserung altehrwürdiger Pino!
Steckbrief Kanarische Kiefer (Pinus canariensis)
Einhäusige Baumart (weibliche und männliche Blüten in einer Pflanze), Blütezeit circa März bis Mai, aus den weiblichen Blüten entwickeln sich braune bis braun-rötliche Zapfen, die eine Größe von bis zu 20 cm erreichen können. Die Kerne sind essbar.
Die Rinde ist bei jungen Bäumen glatt und gräulich. Mit zunehmenden Alter wird die Borke immer gröber, furchig und mit tiefen Rissen, sie färbt sich nach und nach dunkler und zum Teil rötlich.
Der schnellwachsende Baum erreicht durchschnittliche Höhen von 15 bis zu 30 Metern, kann aber auch deutlich größer werden.
Die Nadeln wachsen als Drillinge aus einem Schaft. Während die jungen Nadeln eine helle blaugrüne Färbung zeigen, erscheinen Nadeln ausgewachsener Bäume in satten glänzendem Grün.
Die typische feuerresistente Borke entwickeln erst ausgewachsene Exemplare. Jüngere Bäume sind bei Waldbränden dagegen ebenso schutzlos wie der gesamte Unterbewuchs der Wälder.
Vorkommen: Endemisch auf allen kanarischen Inseln, vor allem La Palma und Teneriffa. Auf den nahezu baumlosen Inseln Fuerteventura und Lanzarote wurden Versuche zur Kultivierung unternommen, aber aufgrund der geringen Erfolge eingestellt. Außerhalb der Inseln wird die Kanarische Kiefer beispielsweise in USA als Pflanzung kultiviert. Bevorzugtes Habitat: auf etwa 600 bis 2200 m Höhe, bevorzugt tiefgründige, nährstoffreiche Böden mit eher saurem Milieu, immergrün, aber nicht winterhart.
Verwendung:
Heilkundlich findet die Kanarische Kiefer im Speziellen nur wenig Erwähnung in der Literatur. Dabei können ihre wertvollen duftenden ätherischen Öle – wie auch bei anderen Kiefern- und Nadelbaumarten – im Bereich von Husten und Bronchialbeschwerden lindernd eingesetzt werden.
Als Baumaterial wurde die Kanarische Kiefer lange Zeit sehr geschätzt. Ihr hartes, robustes Kernholz mit der attraktiven rötlichen Färbung wurde vielseitig genutzt für Türen, die typischen kanarischen Balkone, Zimmerdecken bis hin zum Schiffsbau. Dieses auch Tea Holz genannte Material wurde vor allem um das 16. Jahrhundert so exzessiv genutzt, dass es in vielen Gebieten aufgrund der raubbauartigen Rodungen fast zum Aussterben der Baumart kam. Das wurde zum Glück rechtzeitig eingedämmt und durch Aufforstungen unterstützt.
Die Nadeln wurden in früheren Zeiten als Polsterung für den Transport der Bananenstauden verwendet, die auf vielen der Inseln großflächig angebaut und auf das Festland exportiert werden. Heute nutzen Landwirte die trockenen Nadeln noch als Einstreu für ihre Tiere. Die Böden der kanarischen Kiefernwälder sind oft dick bedeckt mit den getrockneten Nadeln. Sie fühlen sich an wie eine weiche Decke. Man wandert weich wie auf Samt und alle Geräusche wirken wie gedämpft. Dazu kommt der spezielle Duft dieser Wälder. Das ist Waldbaden der ganz besonderen - kanarischen - Art. Wellness für Körper, Geist und Seele.
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