Pflanzen treiben´s bunt
Wenn es um die Fortpflanzung geht, sind Wildpflanzen enorm erfinderisch. Alles kann, nichts muss. Oder doch? Es gibt durchaus Kandidaten, die ihre fliegenden Bestäuber mit sanfter Gewalt zum Mitmachen zwingen. Und so manche Wildpflanzen überlassen rein gar nichts dem Zufall und haben mehrstufige Einsatzpläne entwickelt, damit die Nachkommenschaft garantiert im nächsten Jahr an den Start gehen kann. Der Drang zur Arterhaltung treibt im wahrsten Sinne des Wortes bunte Blüten. Aber nicht nur: Der eine setzt auf den flotten Dreier mit Insekten, andere überlassen die Sache dem Wind oder „machen es“ schlichtweg selbst.
Die Geschichte von den Bienen und Hummeln wird nicht nur gern bemüht als Einstieg in unausweichliche Kinderfragen nach Liebe und mehr. Es ist sicher auch das erste, woran man spontan denkt beim Stichwort Fortpflanzung von Blumen & Co.. Dabei sind die fleißigen Honigsammler nur eine kleine Komparsengruppe in diesem amourösen Schauspiel auf der bunten Bühne der Natur.
Und ewig lockt…der Nektar
Motivation ist alles. Die Pflanzen lassen sich nicht lumpen, um ihre tierischen Helfer in Sachen Fortpflanzung zur nötigen Unterstützung anzutreiben. Mit bunter Blütenpracht und verführerischen Aromen locken sie nicht nur Bienen und Hummeln, sondern – wie beispielsweise der Gundermann – gerne auch Ameisen an, um sie bei der Verbreitung von Blütenstaub und Samen einzuspannen. Als Entlohnung gibt’s leckeren Nektar - das wissen die Insekten natürlich nur zu gut. Und so ist das „Hummelkarrussell“ der Taubnessel meist gut besucht.
Freie Liebe - going with the wind
In einer Art freier Hippie-Kommune leben unsere heimischen großen Brennnesseln. In weitflächigen Ansammlungen gedeihen sie an Waldrändern, aber auch in Gärten, wenn man sie lässt. Frauen und Männer vereint und in Frieden neben- und miteinander. Zweihäusig nennt man das in der Pflanzenkunde. An ihren Blütenständen kann man sie im Hochsommer sehr gut unterscheiden. Während bei den Männern eher einzelne feine Rispen abstehend nach oben zeigen, hängen die weiblichen Früchte eher üppig in dichteren Trauben nach unten. Gewisse bildliche Übertragungen in den menschlichen Bereich sind als Merkhilfe durchaus gegeben. Die Brennnessel ist bei ihrem Liebesleben recht offenherzig und lässt sich beim „Sex“ unter freiem Himmel hemmungslos zusehen. Im Hochsommer, wenn die wehrhaften Pflanzen mit ihren Brennhaaren voll im Saft stehen, entladen sich die Samenstände der männlichen Pflanzen bei kleinster Berührung oder oft auch nur durch einen kräftigeren Windstoß explosionsartig in einem goldenen Wölkchen. Der Wind bringt die wertvolle Fracht zu den Damen, die sie in brennender Liebe aufnehmen und für die nächste Generation sorgen. Apropos brennende Liebe: Die Früchte der Brennnesseln gelten als sehr aphrodisierend und als hervorragendes Präventionsmittel in Sachen Prostatabeschwerden. Dazu liefern Sie jede Menge nahrhafter Proteine - wichtig, nicht nur für Veganer und Vegetarier. Enten, trocknen, ggf.. pulverisieren und genießen. Ideal als Topping auf Desserts und im Salat.
Lug und Trug. Mehr Schein als Sein.
Die Wilde Möhre ist wohl unbestritten eine der schönsten Doldenblütler unserer heimischen Flora. Mit ihren typischen filigranen Hüllblättern schwebt sie wie eine zarte Ballerina im Tutu auf Sommerwiesen. Sie ist nicht nur hübsch. Die Mutter aller Karotten schmeckt auch gut – Blätter, Blüten und nicht zuletzt ihre weiße Wurzel. Damit das auch zukünftig so bleibt, setzt die Wilde Möhre auf Bestäubung durch Käfer und bedient sich eines Tricks. In der Mitte des weißen Blütenstandes befindet sich ein dunkelrotes, fast schwarzes Blütchen, die sog. Mohrenblüte. Damit simuliert die Pflanze einen Käfer und lockt so weitere an. Denn wo einer ist, strömen andere nach…fast menschlich.
Noch subtiler agiert die Ragwurz, eine wilde Orchideenart. Ihr spektakulärer Blütenstand simuliert so täuschend echt ein Insekt, dass die Tiere hier einen paarungsbereiten Partner wähnen und beim vermeintlichen Liebesakt lediglich als Bestäuber mißbraucht werden. Falls die Täuschungsmanöver nicht ausreichend wirken, kann die Ragwurz immer noch auf Selbstbestäubung zurückgreifen.
Bist Du nicht willig, so gebrauch ich Gewalt
Der schöne Wiesensalbei mit seinen aparten lila Blüten ist gar nicht so harmlos wie es scheint. Mit einem ausgeklügelten Mechanismus überrumpelt er seine Hauptbestäuber, die Hummeln und Bienen und zwingt sie zur Verbreitung seiner Pollen. Die Blüte des Wiesensalbeis ist raffiniert aufgebaut. Um an den leckeren Nektar im Inneren zu gelangen, muss die Biene weit in den zygomorphen Blütenkelch krabbeln. Auf diesem Weg löst sie einen „Hebel“ aus, dieser klappt herunter und klebt ihr von oben den Blütenstaub auf den Rücken. So trägt die Biene diesen unfreiwillig zur nächsten Blüte zur Befruchtung.
Auch nicht ganz freiwillig agieren Zwei- und Vierbeiner bei der Verbreitung. Hundebesitzer wissen ein Leid zu klagen über die zahllosen klebenden kugeligen Früchtchen des Klettenlabkrauts. Und der Breitwegerich kam bei den Indianern nicht von ungefähr zu seinem Namen „Fußstapfen des weißen Mannes“. Die Samen dieser typischen Trittpflanze wurden über die Schuhe und Wagen der weißen Siedler eingeschleppt.
Nummer sicher
Der stinkende Storchenschnabel – auch Ruprechtskraut genannt – ist ein wahrer (Über-) Lebenskünstler. Er kann unter extremsten Lichtverhältnissen gedeihen. Blattgelenke machen es möglich, die Blattspreiten immer optimal zum Lichteinfall zu positionieren, so dass er sogar in Höhleneingängen überleben kann. Für starke Sonneneinstrahlung hält er Sonnenschutzpigmente parat und schützt sich durch die typische Rotfärbung. Auch bei der Bestäubung geht die Wildpflanze auf Nummer sicher. Sie setzt primär auf Bienen. Fehlt es an Sonne, greift die Pflanze schon mal zur Selbsthilfe/-bestäubung, indem sie die Blüten durch Krümmung der Stiele nach unten dreht. Die Früchte können aus der Mittelsäule bis zu 6 m weggeschleudert werden. Sicherheitshalber ist aber auch Klettverbreitung möglich durch Haarstränge an der Frucht.
© wildekräuterkatze
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