Bitter gegen Böses
Der Gundermann bezaubert uns in diesen Wochen mit seiner üppigen lila Blütenpracht. Die beste Zeit, um die heil- und würzkräftige Wildpflanze zu ernten. Seit jeher verehrten und schätzten die Menschen die hübsche Pflanze mit dem eigentümlichen Namen und Geruch, um die sich jede Menge Mythen ranken, aber auch leckere Rezepte...
Heil und Segen - aber nicht für Pferde! Während der Gundermann für Menschen dank seiner Heil- und Würzkraft eine wertvolle Pflanze darstellt, ist er für Pferde hochgiftig. Sogar nach 3 Monaten kann er im getrockneten Zustand im Heu noch schwere bis tödliche Vergiftungen bei Pferden hervorrufen. Für Rinder und Schafe hingegen ist der Gundermann verträglich. Bei Kühen wird er sogar als gesundheits- und milchfördernde Beigabe ganz bewusst verabreicht.
Schon die Germanen schätzten die Pflanze wegen Ihrer Heilwirkung. Sie sahen in ihr - wie in allen in der Nähe des Hauses wachsenden Pflanzen - einen Hausgeist, worauf möglicherweise der zweite Namensteil „-mann“ zurückzuführen ist. Der erste Wortteil leitet sich vermutlich vom germanischen Wort „gund“=(Körper-)Flüssigkeit/Eiter ab. Die Pflanze wurde als eines der sog. Gundkräuter zur Behandlung von nässenden, eiternden Wunden eingesetzt.
Steckbrief:
Familie: Lippenblütengewächse (Lamiaceae) Pflanzenname: Gundermann (Glechoma hederaceae) Volksnamen: Gundelrebe, Blauhuder, Donnerrebe, Erdefeu, Zickelskräutlein, Guck durch den Zaun
Merkmale: Aus der kriechenden, ausdauernden Pflanze wächst ein vierkantiger niederliegender Stengel mit nieren- bis herzförmigen Blättern. Die Blätter sind immergrün und in der kalten Jahreszeit mitunter rot überlaufen. Erst die blühenden Teile richten sich nach oben und bilden von März bis Juli in den Blattachseln hellviolette Blüten in Scheinquirlen. Auf der Unterlippe der Blüte zeigt sich ein dunklerer Fleck. Zerrieben verbreitet die Pflanze ihren typisch herben (eher unangenehmen) Geruch. Die beliebte Hummel- und Bienenpflanze, nutzt für Ihre Verbreitung auch die emsigen Ameisen
Vorkommen: Wiesen, Weiden, Rasenflächen, Zäune, Hecken, Waldränder. Die Pionierpflanze liebt feuchte, nährstoffreiche Böden.
Verbreitung: Neben der Bestäubung durch Insekten – Hummeln und Bienen lieben Gundermannblüten – helfen auch Ameisen bei der Verteilung der Samen. Nicht zuletzt geht der Gundermann auf "'Wanderschaft". Er wächst nicht primär in die Höhe, sondern tastet sich kriechend vorwärts bis er ein passendes Plätzchen gefunden hat. Erst dort verankert er seine Wurzeln tiefer und treibt dann seine blühenden Stengel nach oben. Mehr als einen Meter kann der Gundermann so sein Umfeld nach dem idealen Standort erkunden.
Inhaltsstoffe: Bitter- und Gerbstoffe, Inulin, Vitamin C, Flavonoide, Mineralstoffe, Terpene, Steroide, ätherische Öle.
Bitter gegen Böses. Mythen, Riten und Traditionen Seit jeher wird der bittere Gundermann für allerlei Abwehrzauber verwendet. Wie schon erwähnt, freute man sich über den Gundermann ums Haus als schützenden „Hausgeist“ und als Pflanze des germanischen Donnergottes Donar zur Abwehr von Donner und Blitzschlag. So wurden Gundermannkränze auch an Türen und Hauswände gehängt, um das Böse fernzuhalten.
War der Milchfluss bei den Kühen gestört, so ging man davon aus, dass das Vieh verhext worden sei. So versuchte man die Kühe nicht nur vor dem ersten Austrieb prophylaktisch zu schützen, in dem man sie durch einen Gundermannkranz melkte. Auch bei bereits „verhexten“ Tieren wurden Heilriten angewendet. Eine Anleitung findet sich im Zauberbüchlein des im 12. Jahrhundert wirkenden Gelehrten Albert Magnus:
„Wenn einer Kuh das Euter behext ist. Nimm Gundelreben, flechte Kränzlein, milk jeden Strich hinten durch den Fuß, hernach gib sie der Kuh zu fressen, und sprich folgende Worte: Kuh, hier geb ich dir Gundelreben, daß du mir die Milch wolltest geben.“
Auch durch Auswaschen des Milchgeschirrs mit Gundermannabsud oder durch Futterbeimengung von in der Walpurgisnacht geerntetem Gundermann (vermischt mit Salz und Hafer) suchte man das Vieh zu schützen.
Nicht zuletzt glaubte man, Hexen erkennen zu können, wenn man in der Walpurgisnacht Gundermann sammelt und einen Kranz daraus auf dem Kopf trägt.
Aus Tirol ist überliefert, dass während der Pfingstpredigt gesammelter Gundermann ALLE Erkrankungen heilen könne. Vermutlich ist der zeitliche Zusammenhang darauf zurückzuführen, dass zum Höhepunkt der Blütezeit die höchste Konzentration an Wirkstoffen in der Pflanze zu finden ist - also ideale Erntezeit.
Heilkundliche Verwendung: Wenn auch wissenschaftlich nicht belegt und anerkannt, ist der Gundermann eine geschätzte Heilpflanze in der Volksheilkunde.
Innerlich findet der Gundermann als Saft, Tee, Tinktur oder auch in Milch sowohl aus frischen wie getrocknetem Kraut Anwendung zu Behandlung von Husten mit zähem Schleim (aufgrund der enthaltenen Saponine) sowie Magen-/Darmproblemen mit Durchfall und Entzündungen im Mund- und Rachenraum (aufgrund der im großen Umfang enthaltenen Gerbstoffe). Im zeitigen Frühjahr geerntet, soll der Gundermann auch die Menstruation fördern. Bei den Seefahrern wurde die Pflanze wegen ihres hohen Vitamin C-Gehalts gegen Skorbut eingesetzt. Konzentrierter Gundermanntee ist sogar in der Lage, Schwermetalle und Pestizide auszuleiten. Diese Eigenschaft machten sich schon in früher Zeit Büchsenmacher und Maler zunutze, um das im Körper angereicherte Blei auszuschwemmen.
Tee: 1 TL frische oder 1 EL getrockneten Gundermann mit 1/4 siedendem Wasser übergießen, 5 Minuten ziehen lassen.
Gundermann-Milch (das Fett der Milch bindet besonders gut die ätherischen Öle): 2 EL des frisches Kraut mit 1/2 l Milch aufkochen. 15 Minuten ziehen lassen, abseihen und warm trinken. Ggf. mit Honig verfeinert ein idealer Schutz, wenn mal wieder Erkältungen umgehen.
Äußerlich kommt der Gundermann v.a. in Form von Auflagen und Waschungen bei entzündlichen und nässenden Wunden zur Anwendung.
Kulinarische Verwendung: Ob als Würzpflanze für Salate, frühlingshafter Begleiter in Smoothies oder Bestandteil der „Grünen Neune“ oder Gründonnerstags-Suppe - beim Gundermann ist weniger mehr. So würzkräftig und gesund die Pflanze auch ist - Überdosierungen vermeiden! Gundermann ist äußerst geschmacks- und geruchsintensiv und kann schnell unangenehm wirken.
Wegen seiner Bitterstoffe wurde Gundermann schon früh beim Bierbrauen verwendet. Auch in der aktuell populären Craft-Bier-Herstellung erlebt der Gundermann eine Renaissance.
Der (für manchen unangenehme und intensive) Geruch und Geschmack lässt es kaum glauben, aber auch für Süßspeisen kann der Gundermann verwendet werden. Die Blätter in gute dunkle Schokolade getaucht, sind ein geschmackliches Erlebnis und tolle Dessert-Deko. Wenn die feine Herbe der Pflanze mit der herben Süße des Kakaos spielt, entsteht ein "After-Eigth-Effekt".
Rezept Gundermann-Giersch-Limonade (für ca. 4 Personen):
Zutaten: je 10 Gundermann- und Gierschblätter, 5-6 Minzblätter, 1 l Apfelsaft, 1/2 l Mineralwasser, Saft von 1 Bio-Zitrone, Zitronenscheiben zum Dekorieren
Zubereitung: Kräuter waschen, trockentupfen, klein schneiden. Mit dem Apfelsaft begießen und mind. 4 Stunden im Kühlschrank ziehen lassen. Vor dem Servieren durch ein Sieb gießen, Flüssigkeit mit Mineralwasser und Zitronensaft auffüllen. In Gläser füllen und gekühlt mit Zitronenscheiben servieren. Tipp: Statt Mineralwasser mit Prosecco als Frühlingsbowle schmecken lassen!
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