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Die Mohnfeen

susiforster

Ein Kräutermärchen


Naturspielzeug Mohnpüppchen

Im Reich der Feen lebte ein ganz besonderes Wesen. Sie war ganz anders als die anderen. Sie alle waren grazil und sahen zauberhaft aus. Aber während die meisten langes silbriges oder goldenes Haar hatten und in hauchzarten pastellfarbenen Kleidern von engelhafter Gestalt waren, stach diese eine aus der Menge heraus. Sie hatte tiefschwarzes struppiges Haar, das wild und vom Wind zerzaust in alle Richtungen vom Kopf abstand. Auch sie war grazil, ihre langen dünnen Beine hatten jedoch borstige Haare. Das auffälligste an ihr war Ihre Kleidung, die sie eher wie eine heißblütige Flamencotänzerin erscheinen ließ. Sie trug einen weiten feuerroten Rock aus vier Lagen hauchzarter flatternder Seide. Der Stoff war so zart wie knittriges Pergament. Tanzte die rote Fee damit durch den Regen, so klatschten die Stofflagen laut hörbar aneinander wie zum Applaus. So kam sie auch zu ihrem Namen.


Mit ihrer außergewöhnlichen Erscheinung stach die Klatschmohnfee, wie man sie rief, aus der Schar der Feen heraus. Sie war elfengleich und doch hatte sie etwas wildes, raues an sich. Dazu besaß sie einen besonderen Schatz: in einem kleinen kugeligen Behältnis hatte sie ein seltsames Gewürz bei sich. Tiefschwarze Kügelchen, mit denen sie Speisen zu Delikatessen verwandelte und aus denen sie ein wohltuendes Öl herstellen konnte.

Schlafmohnblüte
Die Blüte des Schlafmohns ist zartlila

Die Klatschmohn-Fee hatte eine Schwester. Sie glichen sich bis auf´s borstige Haar. Aber sie kleidete sich weniger auffallend, wählte stets ein pastellfarbenes Röckchen in zartlila. Sie wirkte dadurch viel sanfter als ihre rassige Schwester. Doch der Eindruck täuschte. Auch die Schwester hatte ein kugeliges Behältnis. Doch darin waren nicht nur schmackhafte schwarze Körnchen, sondern auch ein geheimnisvoller, milchiger Saft mit mächtigen Kräften. Damit konnte sie schwerste Schmerzen verschwinden lassen oder tiefen Schlaf herbeiführen. Und so bekam sie den Namen Schlafmohnfee. Doch so mancher mißbrauchte ihren Heilsaft und verhexte damit seine Sinne. Ganz unglückliche Seelen erlagen dem Zauber des Saftes so sehr, dass sie gar ihr Leben gegen den Tod dafür eintauschten. Das brachte die Schlafmohnfee natürlich in Verruf, obwohl sie selbst nur Gutes mit ihrem Zaubertrank tun wollte.


Aber die Feen waren nicht anders als die einfältigen Menschen: Sie wurden neidisch auf die schönen, wilden, bizarren Mohnfeen. Und weil sie ihnen auch ein wenig unheimlich waren, vertrieben sie die beiden Schwestern schließlich aus dem Feen-Reich. So packten die beiden Mohnschwestern ihr kugeliges Behältnis ein, zogen ihre Röckchen glatt und die borstigen grünen Umhänge an und wanderten hinaus in die Welt der Menschen.


Sie liefen über Hügel und durch Wälder, aber nirgends gefiel es ihnen so recht. Sie liebten die Sonne und die Wärme. Schließlich kamen sie an einem goldenen Getreidefeld vorbei. Die rote Mohnfee war sofort Feuer und Flamme. Es war kuschelig warm und die aufrechten Ähren schützten sie wie eine Armee vor Sturm und Unbill. Sie waren dort auch nicht allein. Es gab dort andere Wesen wie sie: Die eine - sie nannte sich Kornblume - trug ein indigoblaues Spitzenkleidchen. Die andere hieß Kornrade und war in ein prächtiges pink gehüllt. Auch die Kamillen mit ihren weißgelben Ballerinakleidchen sahen wunderschön aus. Sie alle lebten am Rande des Getreidefeldes ein wunderbares Leben. Sie liebten es auch, wenn die Bienen und pelzigen Hummeln auf ein Schlückchen Nektar vorbeikamen. Die Klatschmohnfee schloss schnell Freundschaft und fühlte sich rundum wohl in der neuen Gemeinschaft.


Mohnblütenim Feld mit anderen Ackerunkräutern wie Kornblume und Labkräutern

Ihrer Schwester jedoch war das Leben dort zu eintönig. Sie hatte größere Pläne mit ihrem Schatz, den sie in ihrem Kugelbehälter trug. Sie war dankbar, dass sie in der Welt der Menschen eine neue Heimat gefunden hatte und wollte den Bewohnern Heil und Freude bringen. So verabschiedete sie sich von ihrer Schwester aus dem Getreidefeld und zog weiter. Sie sollte eine große Karriere machen. Die Menschen erkannten die heilende Wirkung des Milchsaftes und machten Medizin daraus. Aber wie schon früher als sie noch im Reich der Feen lebte, gab es auch die, die den Zaubertrank mißbrauchten. Viele, zu viele. Und so musste der Gebrauch des Zaubertranks verboten werden, um die Menschen vor sich selbst zu schützen. Nur Heilkundige durften ihn noch herstellen und verwenden. Die nussig-zarten schwarzen Gewürzkügelchen waren dagegen für alle zugänglich. Die Menschen liebten den schwarzen Mohn und zauberten damit aus einfachen Speisen die herrlichsten Leckereien.


Die beiden Mohnfeen hatten zahllose Nachkommen. Sie bevölkerten weite Landstriche und erfreuen seither die Gemüter und Gaumen der Menschen.


Bastelanleitung für Deine eigene kleine Mohnfee:

Püppchen aus frischer Mohnblüte

Aus der Blüte lässt sich im Handumdrehen ein lustiges Mohnpüppchen herstellen:

  • Mohnblüte mit Stiel pflücken

  • Sehr behutsam Blütenblätter nach unten umfalten (fallen leicht ab) und mit einem Grashalm knapp unterhalb der Kapsel fixieren – ein Kleidchen entsteht.

  • Ein kleines Stück Stiel abtreten und oberhalb des Grasgürtels vorsichtig als Arme durchstecken


Fertig!




Du willst mehr erfahren über Mohn, seine Erkennungsmerkmale und Verwendung? Hier geht´s zum Klatschmohn Pflanzenporträt



© wildekräuterkatze | Susanne Forster

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